Zum Bedrohungsmanagement (BM) bei häuslicher Gewalt

Das Bedrohungsmanagement bei häuslicher Gewalt  ist in der psychosozialen und sicherheitspolizeilichen Landschaft erkennbar im Vormarsch. Insofern wird hier ein inhaltlicher Beitrag zum institutionell getragenen Bedrohungsmanagement eingefügt:

 

1. Das ab 2013 kantonal unterschiedlich umgesetzte "Bedrohungsmanagement im Bereich der häuslichen Gewalt" macht grundsätzlich Sinn. Es handelt sich dabei zunächst um die Bildung neuer Melde- und Interventionsstrukturen staatlicher Organe, dessen Ausfluss eine Reduktion der Bedrohung von (potentiellen) Opfern häuslicher Gewalt sein soll. Es soll ein guter Informationsfluss involvierter Behörden über Risiken und Gefahren hergestellt und aufrechterhalten werden.

2. In Sachen "Grenzverletzungen" hat hierzulande glücklicherweise ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Positiv ist, dass sich Bedrohte oder Opfer nicht mehr allein gelassen fühlen müssen. Niemand mehr will abwarten, bis "etwas passiert". Diese Haltung kann den Betroffenen und den Angehörigen Mut machen, genauer hinzusehen, das Schweigen zu brechen und Meldung zu erstatten.

3. Durch mehr Vernetzung von staatlichen und psychosozialen Institutionen und durch verbesserte Meldesysteme sollen Gewaltakte verhindert und mögliche Opfer geschützt werden.

4. Entscheidend wird sein, den Charakter einer Drohung zu erkennen, Eskalationsstufen frühzeitig zu erkennen und Risiken und Bedrohungslagen fachlich zutreffend zu analysieren. Dazu braucht es das Zusammenspiel verschiedener Berufsgruppen; die einen haben eher kontrollierende, die anderen helfende oder behandelnde Aufgaben. Wenn verschiedene Professionen in Krisenteams untereinander auf dem neuesten Stand sind, kann rascher und wirksamer als bisher eingegriffen werden.  

5. Neue Strukturen und neue Konzepte brauchen eine gewisse Installations- und Bewährungszeit. In solchen Übergangsphasen kann es vorkommen, dass zu hart eingefahren wird. Das wäre dann der Fall, wenn  Personen registriert werden und im Fokus stehen, deren Äusserungen oder Verhaltensweisen sich eher als "ungefährlich" herausstellen.

6. Vor Augen halten muss man sich umgekehrt, dass man es sich in vielen Fällen einfach nicht leisten kann, inkonsequent oder ineffizient auf Drohungen zu reagieren. Würde eine Person mit hohem Aggressionspotential zu lasch angefasst und die Kontrolle fällt zu früh weg, bekommt der Aggressor wieder Oberwasser. Womöglich fühlt er sich durch den Kontrollversuch und das Einschreiten erst recht provoziert und wird noch feindseliger und rachsüchtiger gegenüber denen, die ihn anzeigten. Das heisst: Ein wirksames Bedrohungsmanagement begrenzt sich nicht nur auf ein oder wenige Ereignisse – es muss längere Zeit „am Ball bleiben“ – auch in vermeintlichen Phasen der Beruhigung.

7.Solche Probleme zeigen, dass ein Bedrohungsmanagement nicht nur ein sachliches Abhaken von Gefahren ist, sondern vor allem ganz viel Kommunikation und Kontakt unter allen Beteiligten nötig ist. Zwar sind in einer Akutphase zunächst Interventionsmassnahmen wie ein polizeiliches Einschreiten notwendig. Doch wird allein die Bildung eines Krisenteams noch nicht den Schlüssel zum Erfolg darstellen. Es braucht es ein langdauerndes und vernetztes Begleiten von Betroffenen – von Opfern, Tätern, Angehörigen – über eine Akutkrise hinaus. In vielen Fällen wird es um ein Bereitstellen vielfältiger Hilfen psychologischer, psychiatrischer und sozialarbeiterischer Art gehen. Ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Befriedung einer „aufgeladenen“ Situation könnte hier beispielsweise auch eine Mediation zwischen den Beteiligten sein.  

8. Wenn die Kantone den Schwerpunkt „nur“ auf Kontrolle und Repression oder die Bildung neuer Strukturen setzen, wird ein langfristiges Auflösen von Bedrohungen nur kurzfristig Erfolg haben. Ob in der heutigen Sparpolitik tatsächlich noch ein Interesse an umfassenden und langfristigen Konzepten besteht, könnte sich in der praktischen Ausgestaltung des Bedrohungsmanagements zeigen.  Das sollte jedenfalls jedenfalls nicht auf halben Wege stecken bleiben.


© Dr. Karl Weilbach